Operative Personen-Kontrolle

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aktualisiert 21.08.2022

Operative Personenkontrollen (OPK) waren nach der Sicherheitsüberprüfung der nächst höhere Schritt der Überwachung einzelner Bürger durch das MfS. Im Gegensatz zu Sicherheitsüberprüfungen, bei denen die Frage “Wer ist Wer?” (wer ist Freund, wer ist Feind?) erstmalig aufgeworfen wurde, sah das MfS diese Frage bei der Einleitung einer OPK zumindest im Grundsatz schon zu Ungunsten des jeweiligen Bürgers beantwortet - das MfS wähnte hier „den Gegner“ bereits am Werk. Die OPK sollte nun dazu führen, den Wirkungskreis dieses Gegners schnellstmöglich einzuschränken und Ansatzpunkte für eine „operative Bearbeitung“ desselben zu erarbeiten.

In der Richtlinie 1/81 „über die Operative Personenkontrolle“ heißt es dazu: „OPK sind einzuleiten, (...) wenn im Ergebnis der politisch-operativen und rechtlichen Bewertung von überprüften und in der Regel bereits verdichteten Informationen auf feindlich-negative Handlungen oder Einstellungen bekannter Personen bzw. deren Missbrauch durch den Gegner geschlussfolgert werden kann.“ Die OPK hatten für das MfS somit „aktiv vorbeugenden Charakter“ und dementsprechend forderte das MfS, sie „planmäßig und zielstrebig vor allem zur Entwicklung von Ausgangsmaterial für “Operative Vorgänge (OV) “ zu nutzen - der intensivsten Form der Bespitzelung und Gegnerbekämpfung durch das MfS
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Erste Hinweise darauf, dass sich ein Bürger „feindlich-negativ“ betätigte, lieferten häufig Inofizielle Mitarbeiter (IM) des MfS („operative Anhaltspunkte“), die auch während der OPK die „Hauptkräfte“ des MfS blieben.
Nachdem ein Dienststellenleiter entschieden hatte, dass eine OPK eingeleitet werden sollte, wurden in einem Maßnahmeplan der Einsatz der Mittel, Methoden und Arbeitskräfte sowie ein Zeitrahmen für das Erreichen bestimmter Ziele vorab festgelegt. Vom Kontrollierten waren sämtliche Kontakte und Tätigkeiten „aufzuklären“, seine persönliche und berufliche Entwicklung zu dokumentieren sowie die politische Einstellung einzuschätzen. Dabei konnten sämtliche Mittel - von der Postkontrolle bis zu konspirativen Wohnungsdurchsuchung - zum Einsatz kommen. Gleichzeitig sollten die IM möglichst auch schon aktiv auf die Betreffenden Einfluss nehmen, „um diese zu veranlassen, beabsichtigte feindlich-negative Handlungen bzw. Rechts- und Pflichtverletzungen zu unterlassen oder endgültig davon Abstand zu nehmen“. Im konkreten Fall konnte das z.B. heißen, dass ein IM versuchte, jemanden von seinem Entschluss abzubringen, aus der DDR zu fliehen. Die Voraussetzung dafür war natürlich, dass sich der IM das Vertrauen der jeweiligen Person erworben hatte.
 
Abgeschlossen werden konnten OPK auf verschiedene Arten:
Es konnte ein Operativer Vorgang und damit eine noch intensivere „Bearbeitung“ durch das MfS eingeleitet werden.
Strafrechtlich relevante Ergebnisse konnten zur Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens führen, das gewonnene Material an andere staatliche Organe oder leitende Parteifunktionäre übergeben werden.
Die betreffende Person konnte - ohne den Einfluss der MfS zu bemerken - aus einem bestimmten Bereich „herausgelöst“ (z.B. entlassen oder versetzt) werden, damit sie dort keinen Schaden mehr anrichten konnte.
Eine OPK konnte aber auch dazu führen, dass ein so genannter IM-Vorlauf angelegt wurde, um die bearbeitete Person als Spitzel anzuwerben.
Schließlich bestand noch die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass die OPK eingestellt wurde, weil sich der Anfangsverdacht als unbegründet erwies.
In jedem Fall wurden alle gewonnenen Informationen jedoch von der Linie XII gespeichert und für eventuelle spätere Vorgänge archiviert.

Die Linie XII bestand jedoch sowohl auf Ministeriums- als auch auf Bezirksebene aus jeweils einer „Abteilung“ (statt „Hauptabteilung“ im Ministerium). Auf beiden Ebenen war sie das zentrale Archiv, in dem alle Vorgänge (IM, GMS, OPK, OV, UV) im Verantwortungsbereich des MfS bzw. der jeweiligen Bezirksverwaltung zur Ablage kamen und entsprechend archiviert wurden.
Die Abteilung XII führte die zentrale Personenkartei F 16  und sämtliche Nachweise zu „aktiven“ und „passiven“ Erfassungen und versorgte die anderen Abteilungen mit Aktendeckeln und Formblättern für die Führung von registrierten Vorgängen.
MfS-intern war die Abteilung zudem die zentrale Auskunft: Sie bearbeitete Rechercheaufträge von Diensteinheiten zu Erfassungen von Personen, führte auf Anfrage Überprüfungen durch und stellte die gesammelten Informationen bereit. Dienstrechtlich war sie im MfS  direkt der Zentralen Auswerteungs- und Informationsgruppe (ZIAG)  unterstellt.
Auch staatliche Stellen wie die Staatanwaltschaft, Gerichte, die Volkspolizei (Arbeitsrichtung I) sowie die Verwaltung Aufklärung des MfNV legten im MfS-Archiv Akten ab.
Im Rahmen der Mobilmachungsarbeit sorgte die Abteilung XII schließlich für die Sicherheitsverfilmung zu IM/GMS sowie für  die Ersatzverfilmung von Archivmaterialien auf Mikrofilm.